Universal Design for Learning (UDL) und inklusiver Englischunterricht

von Katharina Krause

Beim Netzwerktreffen Inklusiver Englischunterricht in Köln wurde am 27. August 2019 das Potenzial des Universal Design for Learning (UDL) in fremdsprachendidaktischen Settings diskutiert.

Das UDL-Konzept ist Ende des 20. Jahrhunderts aus der Universal Design-Bewegung in der Architektur in den USA entstanden und hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur bauliche Maßnahmen, sondern auch Lehr-Lernsettings von Anfang an so zu gestalten, dass sie für ein möglichst breites Spektrum an Menschen zugänglich sind und möglichst wenig nachträgliche Einzelanpassungen vorgenommen werden müssen. Aus Erkenntnissen der Lehr-Lernforschung und der Neurowissenschaften wurden drei allgemeine Prinzipien abgeleitet, die dabei helfen können, Lernbarrieren vorzubeugen bzw. abzubauen. Ausgehend von einer natürlichen Vielfalt der Lernenden sollten daher bei der Gestaltung von Lehr-Lernsettings von Anfang an verschiedene Möglichkeiten mitgedacht werden, wie Lernmotivation und -engagement gefördert (UDL-Prinzip: Provide multiple means of Engagement) und Informationen für alle zugänglich gemacht werden können (UDL-Prinzip: Provide multiple means of Representation). Zudem sollten verschiedene Optionen zur Verarbeitung von Informationen und Präsentation von Lernergebnissen durchdacht werden (UDL-Prinzip: Provide multiple means of Action & Expression), um verschiedenen Bedürfnissen und Potenzialen in einer Lerngruppe besser gerecht werden zu können. Die vom Center for Applied Special Technology (CAST) veröffentlichten Guidelines und Checkpoints, die eine operationalisierende Hilfe zur Umsetzung der UDL-Prinzipen darstellen, sowie weitere Informationen und Links zum UDL-Framework, das mittlerweile in der amerikanischen schulpolitischen Gesetzgebung verankert ist, sind z.B. auf der folgenden Homepage zu finden: http://udlguidelines.cast.org/.

Um UDL erfolgreich implementieren zu können, ist es wichtig die UDL-Guidelines als fächerübergreifenden blueprint zu verstehen. Erst vor dem Hintergrund von konkreten curricularen transparenten Lernzielen, einer Analyse des Themas bzw. Entwicklungslogik des Lerngegenstands sowie Kenntnissen über die Lernvoraussetzungen der entsprechenden Schüler*innen können fachdidaktisch geeignete Materialien, Medien, Methoden und Assessment-Formen ausgewählt werden, sodass möglichst viele Lernende angestrebte kommunikative Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht (evtl. auch auf unterschiedlichen Niveaus) ausbauen und festigen können (vgl. Krause & Kuhl, 2018). In diesem Sinne kann UDL z.B. dazu genutzt werden, Lernbarrieren auf dem Weg zu in Lehrplänen definierten Standards und Kompetenzen abzubauen und unterschiedliche Wege und Strategien zur Zielerreichung zu ermöglichen. Es kann aber auch eine Anregung für die fachdidaktische und fachwissenschaftliche Forschung, Lehre und Bildungspolitik sein, bestehende Bildungsstandards, Planungskonzepte, Formen von Lernzielkontrollen und Unterrichtsmethoden weiterzuentwickeln, die Entwicklungslogik von kommunikativen Kompetenzen weiter zu erforschen oder Lehrwerke und Unterrichtsmaterialien auf universelle Zugänglichkeit zu überprüfen.

Da es sich bei den UDL-Guidelines um eine Zusammenstellung von evidenzbasierten Lehr-Lernstrategien handelt, kann dabei an bisher gewonnene Erkenntnisse und Konzepte aus der Fremdsprachendidaktik angeknüpft werden. An einer fachspezifischen Implementierung des UDL-Konzepts, das lediglich übergreifende Handlungsimpulse zur Herstellung und Prüfung von universeller Zugänglichkeit aufzeigen kann, muss jedoch gearbeitet werden. Im Rahmen des Netzwerktreffens wurde u.a. eine erste Unterrichtsplanungshilfe zur systematischen Integration von UDL-Elementen in Englischstunden diskutiert (Krause, in Vorbereitung). UDL birgt zudem das Potenzial, Inklusion verstärkt als qualitative Weiterentwicklung von gutem Fachunterricht für alle Lernenden mit hohen Standards zu begreifen und einer Verengung der Inklusions-Debatte auf Lernende mit attestiertem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf entgegenzuwirken.

Literatur

Hall, T. E., Meyer, A. & Rose, D. H. (2012). Universal Design for Learning in the Classroom. Practical Applications. New York: Guilford Press.

Krause, K. (in Vorbereitung). Unterrichtsplanung mithilfe des Universal Design for Learning. Professionalisierung angehender Englischlehrkräfte für den inklusiven Unterricht. Dissertation. TU Dortmund.

Krause, K. & Kuhl, J. (2018). Was ist guter inklusiver Fachunterricht? Qualitätsverständnis, Prinzipien und Rahmenkonzeption. In B. Roters, D. Gerlach & S. Eßer (Hrsg.), Inklusiver Englischunterricht. Impulse zur Unterrichtsentwicklung aus fachdidaktischer und sonderpädagogischer Perspektive (S. 175-195). Münster: Waxmann.

Meyer, A., Rose, D. H. & Gordon, D. (2014). Universal Design for Learning. Theory and Practice. Wakefield, MA: CAST Professional Publishing.

Nelson, L. L. (2014). Design and Deliver. Planning and Teaching Using Universal Design for Learning. Baltimore: Paul H. Brookes Publishing Co.

Novak, K. (2014). UDL NOW! A Teacher’s Monday-Morning Guide to Implementing Common Core Standards Using Universal Design for Learning. Wakefield, MA: CAST Professional Publishing.

Rao, K. & Meo, G. (2016). Using Universal Design for Learning to Design Standards-Based Lessons. SAGE Open, 6 (4), 1-12. doi:10.1177/2158244016680688

Rapp, W. H. (2014). UDL in Action – 100 Ways to Teach All Learners. Baltimore: Paul H. Brookes Publishing Co.

Rose, D. H. & Meyer, A. (2002). Teaching every student in the digital age: Universal Design for Learning. Alexandria, VA: Association for Supervision and Curriculum Development.

Schlüter, A.-K., Krabbe, C., Melle, I., Krause, K., Wember, F. B., Grimminger-Seidensticker, E., Lautenbach, F., Heberle, K. & Kranefeld, U. (2018). Universitäre Vorbereitung angehender Lehrkräfte auf inklusiven Unterricht – Seminarkonzeptionen zur Professionalisierung für inklusiven Fachunterricht. Zeitschrift für Heilpädagogik, 69 (12), 582-595.

Gesammelte Reflexionsfragen

Die folgenden Reflexionsfragen sind im Anschluss an die Vorstellung und Diskussion des Konzepts beim Netzwerktreffen entstanden. Sie wurden im Anschluss wie folgt kategorisiert: Reflexionsfragen zum Beitrag von UDL zur Inklusionsdebatte [INKL], Reflexionsfragen zum Beitrag von UDL zur Lehrer*innenaus- und -weiterbildung [LB] und Reflexionsfragen zum Beitrag von UDL zur Weiterentwicklung der Fachdidaktik Englisch/Französisch [FD]

Reflexionsfragen zum Beitrag von UDL zur Weiterentwicklung der Fachdidaktik Englisch/Französisch

  • In welchem Zusammenhang stehen curriculare Anforderungen und Prinzipien des UDL? An welchen Stellen widersprechen Studien bestimmten Herangehensweisen? 
  • Verglichen mit Ansätzen in der deutschen Fachdidaktik, welchen fachdidaktischen Mehrwert bietet UDL? 
  • Wie verhält sich UDL ganz generell zu anderen Ansätzen der deutschsprachigen/internationalen Englischdidaktik (bspw. Inclusive Pedagogy oder das Differenzierungsparadigma) – wo ergeben sich ggf. Überschneidungen, wo Abgrenzungen?
  • Wie lässt sich UDL fremdsprachendidaktisch so greifen, dass es nicht als allgemeinpädagogisch-differenzierende Maßnahme angesehen wird, die über Fächergrenzen hinweg immer gleich funktioniert?
  • Welche Potentiale bietet der Ansatz nicht nur für instruktivistische Unterrichtssettings?
  • Wie kann das vielschichtige Modell als konkretes Planungsinstrument für den Englischunterricht praktikabel gemacht werden?
  • Inwiefern sind Modifikationen des UDL-Instruments nötig, um es für die Spezifika des Englischunterrichts nutzbar zu machen? Welche Aspekte könnten reduziert, welche müssten ggf. hinzugefügt werden?
  • Inwieweit gehen diese potentiellen Modifikationen mit deutlichen Schwerpunktsetzungen einher und wie wären diese (fach)didaktisch zu legitimieren?
  • In welchem Verhältnis stehen UDL, Sonderpädagogik und Fremdsprachendidaktik zueinander? Wo zeigen sich Schnittbereiche, wo Abweichungen? Könnte sich UDL eignen, um Konzepte aus der Sonderpädagogik in den Fremdsprachenunterricht zu integrieren?
  • Inwiefern lässt sich UDL ins Lernaufgaben-Planungs-Modell für inklusiven Englischunterricht (Eßer, Gerlach & Roters, 2018) integrieren? 

Reflexionsfragen zum Beitrag von UDL zur Inklusionsdebatte

  • Wie passt UDL in die gängige Konzeption inklusiven Fachunterrichts entlang des Feuser’schen Gemeinsamen Gegenstandes?
  • Warum lässt sich das Modell grundsätzlich für den Englischunterricht insbesondere in  sehr heterogenen Lerngruppen nutzen?
  • [LB] Welche Elemente lassen sich grundsätzlich übertragen, welche müssen modifiziert werden, welche fehlen für den unterrichtlichen Kontext an deutschen Schulen?
  • In welchem Verhältnis stehen die Begriffe UDL, Inklusion, heterogenitäts- und diversitätssensibler Unterricht zueinander? 

Reflexionsfragen zum Beitrag von UDL zur Lehrer*innenaus- und -weiterbildung

  • Wie kann das Modell bestmöglich in die theoretische und praktische Ausbildung (zukünftiger) Lehrkräfte schrittweise eingebunden sowie darin erschlossen und angeeignet werden?
  • Welches Hintergrundwissen ist in welchem Maße für die Prozesse der Auseinandersetzung mit dem Modell sowie dessen Erschließung und Aneignung durch Studierende, Referendare und Junglehrer*innen essentiell?
  • Welches Handlungswissen wird benötigt, um das Modell in konkreten schulischen Settings und innerhalb dortiger intern curricularer Kontextfaktoren (z.B. Schulleitbild, Förderschwerpunktsetzungen, fachliche Schwerpunktsetzung) umzusetzen?
  • Welche Formate könnten besonders zielführend sein, um UDL in der Lehrer*innenbildung zu vermitteln (Videoanalysen, Hospitationen, Micro-teachings, Explorieren vs. Instruieren des Instruments…)?
  • Inwiefern könnte UDL als Framework (Advanced Organizer) für die Lehrer*innenbildung genutzt werden? Inwiefern könnten hier auch Brücken zwischen Sonder- und Regelpädagogik geschlagen werden?
  • Inwiefern lässt sich UDL als Reflexionsschablone für Unterricht generell, beziehungsweise für den Englischunterricht einsetzen? Könnte UDL in bestehende Reflexionsmodelle integriert werden?

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