Vorwort zur Tagungsdokumentation

Carolyn Blume, David Gerlach, Nora Benitt, Susanne Eßer,
Bianca Roters, Jan Springob & Torben Schmidt (Hrsg.)

Perspektiven inklusiven Englischunterrichts: Gemeinsam lehren und lernen. Dokumentation zur Tagung vom 20. und 21. September 2018 an der Leuphana Universität Lüneburg.

Die Suche nach didaktisch-methodischen Umsetzungsmöglichkeiten inklusiver Bildung stellt Bildungssysteme wie auch das beteiligte Personal und die Fachdisziplinen weiterhin vor große Herausforderungen. Die wissenschaftliche Tagung und Lehrkräftefortbildung „Inklusiver Englischunterricht – Gemeinsam Lernen und Lehren“, die im September 2018 an der Leuphana Universität Lüneburg stattfand, hatte zum Ziel, in theoretischer, empirischer wie auch unterrichtspraktischer Hinsicht Konzepte zu präsentieren, die zur fachdidaktischen (Weiter-)Entwicklung von Inklusion beitragen.

Die hiermit vorgelegte Dokumentation einiger Präsentationen der Tagung in Form von Beiträgen (Forschungsergebnisse, work-in-process-Analysen und Unterrichtsprojekte) dient zum einen der Sicherung und Nachhaltigkeit der Tagung. Zum anderen soll die Veröffentlichung der Beiträge als Online-Publikation möglichst barrierefrei den Zugang zu diesen Konzepten ermöglichen und somit zur Unterrichts- und Schulentwicklung sowie zur individuellen wie kooperativen Professionalisierung beitragen. Die Beiträge wurden in einem qualitätssichernden, mehrschrittigen peer-review-Verfahren begutachtet. 

In technischer Hinsicht verzichten wir bewusst auf die Veröffentlichung von Einzel-PDFs der Beiträge (oder einer Gesamt-PDF), um seitens der Artikel die Zugänglichkeit, die Barrierefreiheit sowie letztlich auch die Adaptivität für verschiedene Medien und Endgeräte zu erhalten. Diese Website ist als Online-Journal voll zitierfähig (ISSN: 2569-6068), einen Vorschlag zur Zitierweise der Beiträge finden Sie hier.

Zu den Bedarfen an inklusiv-fremdsprachendidaktischer Forschung

Obwohl das Stichwort „Inklusion“ erst seit der Verabschiedung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) in 2006 (in 2009 vom deutschen Bundestag ratifiziert) eine Fokussierung auf bestimmte Aspekte von Diversität in formalen Sprachlernsettings herbeiführt, sind Fragen der Heterogenität im Englischunterricht schon viel länger Teil des fachdidaktischen und -theoretischen Diskurses. So haben Küchler and Roters (2014) in der Tradition des (inter)kulturellen Verständnisses als eine zentrale Kompetenz des Faches die Möglichkeiten eines diversitätsoffenen Englischunterrichts gesehen. Hierzu gehört u.a. eine positive Einstellung zu Vielfalt und zu den Kulturen anderer Länder und Menschen, die sich wenngleich in unterschiedlichem Maße überwiegend an der englischen Sprache und den populären Medien orientieren. An dieser Stelle kann v.a. die Nutzung des Englischen in digitalen Umgebungen hervorgehoben werden, die damit die Relevanz des Faches für sowohl die soziale und wirtschaftliche als auch kulturelle Teilhabe besonders betont (vgl. Köpfer, 2014).

Nichtsdestotrotz sind fachliche Spezifizierungen zum Umgang mit Heterogenität über die Konzepte von Differenzierung und Individualisierung hinaus nur begrenzt wissenschaftlich und unterrichtspraktisch beleuchtet worden (vgl. Trautmann, 2010). Hier bedarf es mehr Aufmerksamkeit, die der durch die UN-BRK einerseits und Migrationstendenzen der jüngsten Vergangenheit andererseits bedingten wachsenden Heterogenität gerecht wird – auch unter Berücksichtigung der Relevanz von Englischsprachkenntnissen für die erfolgreiche Lebensgestaltung.  Auch wenn es aufgrund fehlendem Konsens, was mit einer vollends “inklusiven” Lerngruppe gemeint sein sollte (vgl. Piezunka, Schaffus, & Grosche, 2017), eine wiederholte Festlegung von Begrifflichkeiten vonnöten macht, so ist es nicht zu rechtfertigen, mit einer Ausschärfung von fachdidaktischen Ansätzen, die unterschiedlichen Formen der Diversität berücksichtigen, so lange abzuwarten, bis ein solcher Konsens womöglich hergestellt wird. Das Gegenteil ist der Fall: Es bedarf vielfältiger Herangehensweisen, die die Komplexität des Inklusionsbegriffs und die unterrichtliche Praxis vielschichtig beleuchten. So gilt es z.B. die durch die Merkmale unterschiedlicher sonderpädagogischer Förderbedarfe im Hinblick auf konkrete sprachliche Kompetenzen und Lernformen bestimmten Bedingungen der Schulpraxis zu erörtern, um auch Handlungsempfehlungen auf der Basis empirischen Wissens zu formulieren. Solche Analysen liegen zwar teilweise vor (vgl. Blume, Kielwein, & Schmidt, 2018 in Bezug auf exekutiven Dysregulation; Gerlach, 2015 im Hinblick auf förderliche Rahmenbedingungen inklusiven Fremdsprachenunterrichts aus Sicht der Lehrpersonen; Stahl-Morabito, 2018 in Bezug auf zieldifferenten Englischunterricht), sind jedoch im Hinblick auf andere neurodivergente Merkmale und sonderpädagogische Bedarfe sowie in unterschiedliche Schulformen (vgl. Springob, 2017) nur in geringerem Maße vorhanden. Außerdem bedürfen weitere Aspekte heterogenen Englischunterrichts, die zwar nicht fachgebunden sind, dennoch in deren fachspezifischer Ausprägung und Wirkung zu verstehen sind, dringend stärkerer Bearbeitung. Hierzu zählen beispielhaft die Prinzipien des Co-Teaching sowie die des tertiären Spracherwerbs. Auch fachspezifische Analysen und didaktische Erarbeitungen bzgl. gesellschaftlicher Entwicklungen, die das Thema Heterogenität tangieren, sind für eine zeitgemäße Englischpraxis unerlässlich, allen voran Digitalisierungstendenzen (vgl. Blume & Würffel, 2018) sowie die wachsende Einsicht der Relevanz von nicht-heteronormativen Identitäten für den Sprachunterricht (vgl. Merse, 2015). Nicht zuletzt aufgrund der zentralen Rolle der Lehrkraft ist die Professionalisierung derer im Rahmen eines inklusiven Englischunterrichts von grundlegender Bedeutung (vgl. Gerlach, 2015; Roters & Eßer, 2016; Schmidt, 2017). 

Die in diesem Band zusammengestellten Beiträge leisten in diesem Sinne einen Beitrag zu einer inklusiven Englischdidaktik, die sich mit grundlegenden Fragen der diesbezüglichen Theorie und Praxis beschäftigen. 

Übersicht der einzelnen Beiträge

Die Beiträge sind in einer Übersicht hier einsehbar.

Danksagung

Die Herausgeber*innenrunde dankt den Beitragenden für ihre Artikel und die kooperative Zusammenarbeit im Prozess sowie dem Netzwerk Inklusiver Englischunterricht für die Möglichkeit, die Tagungsdokumentation hier in dieser Form veröffentlichen zu dürfen. Außerdem gilt gebührender Dank den studentischen Hilfskräften an der Leuphana Universität Lüneburg, Inga Barth, Clara Grzeskowiak, und Cindy Köhler, für die Aufbereitung der Beiträge.

Literatur

Blume, C., Kielwein, C. & Schmidt, T. (2018). Potenziale und Grenzen von Task-Based Language Teaching als methodischer Zugang im (zieldifferent-)inklusiven Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit Lernbesonderheiten. In B. Roters, D. Gerlach, & S. Eßer (Hrsg.), Inklusiver Englischunterricht (S. 27–48). Münster: Waxmann.

Blume, C. & Würffel, N. (2018). Using technologies for foreign language learning in inclusive settings. Fremdsprachen Lehren und Lernen, 47(2), 8–27.

Gerlach, D. (2015). Inklusion im Fremdsprachenunterricht. Zwischen Ansprüchen und Grenzen von Heterogenität, Fachdidaktik und Unterricht(srealität). Fremdsprachen Lehren und Lernen, 44(1), 123–137.

Köpfer, A. (2014). Kernkategorien einer inklusiven Englischdidaktik. In R. Bartosch & A. Rohde (Hrsg.), Im Dialog der Disziplinen: Englischdidaktik – Förderpädagogik – Inklusion (S. 157–166). Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag.

Küchler, U. & Roters, B. (2014). Embracing everyone: Inklusiver Fremdsprachenunterricht. In B. Amrhein & M. Dziak-Mahler (Hrsg.), Fachdidaktik inklusiv: Auf der Suche nach didaktischen Leitlinien für den Umgang mit Vielfalt in der Schule (S. 233–248). Münster: Waxmann.

Merse, T. (2015). Queer-informed approaches and sexual literacy in ELT: Theoretical foundations and teaching principles. Language Policy, 26(1), 13–20.

Piezunka, A., Schaffus, T. & Grosche, M. (2017). Vier Definitionen von schulischer Inklusion und ihr konsensueller Kern. Ergebnisse von Experteninterviews mit Inklusionsforschenden. Unterrichtswissenschaft, 45(4), 207–222.

Roters, B. & Eßer, S. (2016). Entwicklung von Lehrerprofessionalität unter inklusiver Perspektive – Impulse für eine reflexive Praxis. In D. Gebele & A. L. Zepter (Hrsg.), Inklusion: Sprachdidaktische Perspektiven: Theorie – Empirie – Praxis. Duisburg: Gilles & Francke.

Schmidt, T. (2017). Inklusiven Fremdsprachenunterricht gestalten – Von Theorie‐Praxis‐Netzwerken, multiprofessionellen Teams und interdisziplinärer Forschung . In E. Burwitz-Melzer, F. G. Königs, C. Riemer, & L. Schmelter (Hrsg.), Inklusion, Diversität und das Lehren und Lernen fremder Sprachen: Arbeitspapiere der 37. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts (S. 285–295). Tübingen: Narr Francke.

Springob, J. (2017). Inklusiver Englischunterricht am Gymnasium: Evidenz aus der Schulpraxis im Spiegel von Spracherwerbstheorie und Fremdsprachendidaktik. Frankfurt a.M: Peter Lang. 

Stahl-Morabito, N. (2018). Zieldifferent Lernen im inklusiven Englischunterricht. In B. Roters, D. Gerlach, & S. Eßer (Hrsg.), Inklusiver Englischunterricht (S. 49–70). Münster: Waxmann.

Trautmann, M. (2010). Heterogenität – (k)ein Thema der Fremdsprachendidaktik? In A. Köker (Hrsg.), Herausforderung Heterogenität: Ansätze und Weichenstellungen (S. 52–64). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

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