Inklusiver Englischunterricht bedeutet für mich … (Michaela Quast)

QuastIn der Reihe „Inklusion im Fremdsprachenunterricht bedeutet für mich …“ stellen die Mitglieder des Netzwerks Inklusiver Englischunterricht ihre ganz persönliche Sicht auf Praxis und Forschung zum inklusiven Englischunterricht vor.

Heute: Michaela Quast, Doktorandin am Englischen Seminar I an der Universität zu Köln.

Inklusiver Fremdsprachenunterricht bedeutet für mich…

… die Pluralität und Diversität unserer Gesellschaft als Selbstverständlichkeit in unseren Schulen zu leben und dabei sowohl hochbegabte SchülerInnen, solche mit Durchschnittslernbiografien als auch SchülerInnen mit besonderen Unterstützungsbedarfen gleichermaßen individuell zu fordern und zu fördern.
Ganz konkret kann inklusiver Englischunterricht gelingen, wenn LehrerInnen gewisse Grundkenntnisse bezüglich individueller Förderschwerpunkte, konkreter Maßnahmen und damit verbundenen rechtlichen Vorgaben haben sowie offen und entsprechend ausgebildet für moderne Unterrichtsformen sind; sie sich also lösen können von klassischen Frontalunterrichtsszenarien, bei denen alle SchülerInnen in der gleichen Zeit mit den selben Materialien das selbe Ziel verfolgen sollen. Dazu gehören die Kenntnis von offenen und kooperativen Lernformen auf Makro- und Mikroebene und sowie die Planungs-, Durchführungs- und Bewertungskompetenz in diesen Bereichen. Gleiches gilt für den Einsatz sogenannter task-based learning-Szenarien, bei denen in möglichst realitätsnahen Lernszenarien SchülerInnen in Gruppen ihre unterschiedlichen Fähigkeiten einbringen und erweitern können. Oder dies gilt für unterschiedlichste Visualisierungsformen, die sowohl den Unterricht stärker strukturieren und somit Transparenz und Orientierung bieten als auch SchülerInnen helfen, ihre eigenen Lernfortschritte individuell darzustellen. Binnendifferenzierende Maßnahmen sollten nicht nur aus klassischen Fundamentum- und Additum-Aufgaben bestehen, sondern bedürfen manchmal auch der Aufarbeitung von Texten im sogenannten Easy-to-read (oder auch Leichte Sprache) Bei all diesen Maßnahmen gilt es nicht nur, die für den Englischunterricht benötigten fachlichen Kompetenzen im Blick zu haben, sondern auch die Förderung von Entwicklungsbereichen wie es etwa der Ansatz der Inklusionsdidaktischen Netze vorschlägt.

Zu einem modernen, inklusiven Englischunterricht zählt außerdem der gezielte Einsatz neuer Medien im Unterricht, die eine Individualisierung des Sprachenlernens vereinfachen können. Während z.B. SchülerInnen mit Migrationshintergrund sich immer wieder digitalisierte Schulbücher vorsprechen lassen können, können SchülerInnen mit Unterstützungsbedarfen digitalisierte Hilfekärtchen anklicken und diese zur Weiterarbeit nutzen.
Wichtig ist dabei, dass Instrumente wie etwa die Wochenplanarbeit oder reading logs im Literaturunterricht nicht als bloße ‚Beschäftigungsmaßnahmen‘ missbraucht werden, sondern tatsächlich für die individuellen Lernstände der SchülerInnen aufbereitet und diese dann auch in ihrer Arbeit begleitet werden.

Inklusiver Englischunterricht bedeutet auch für Lehrkräfte Kooperation – und das nicht nur mit EnglischkollegInnen (etwa bei der Unterrichtsplanung, der Materialerstellung oder im Team Teaching), sondern auch mit SonderpädagogInnen, SozialarbeiterInnen und vielen anderen, z.T. auch außerschulischen PartnerInnen. Wichtig ist hierbei, diese als gleichberechtigte KollegInnen zu begreifen und keinesfalls als bloße ‚Helferlein am Rande‘, die lediglich der Regelschullehrkraft zur Hand gehen.

Dies alles kann meiner Meinung nach nur gelingen, wenn EnglischlehrerInnen dahingehend von Schulleitungen, Bezirksregierungen und Schulpolitik unterstützt werden, dass ihnen die entsprechenden zeitlichen, räumlichen und materiellen Ressourcen, Fortbildungsprogramme sowie Maßnahmen zum Erhalt ihrer Lehrergesundheit zur Verfügung stehen. Denn nur so kann eine positive Einstellung gegenüber inklusivem (Englisch-)Unterricht langfristig ent- und bestehen, was gleichzeitig eine maßgebliche Voraussetzung für dessen Gelingen ist.

Verwendete Literatur

Bonnet, Andreas. 2009. “Kooperatives Lernen.“ Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch 99. 2-15.

Ellis, Rod. 2003. Task-based Language Learning and Teaching. Oxford: Oxford University Press.

Brüning, Ludger; Saum, Tobias. 2009. Erfolgreich unterrichten durch Visualisieren. Essen: Neue-Dt.-Schule-Verl.-Ges.

Inclusion Europe. 2014. Information for all. Pathways. GD Bildung und Kultur. Brüssel. 07.03.2017 http://easy-to-read.eu/wp-content/uploads/2014/12/DE_Information_for_all.pdf.

Netzwerk Leichte Sprache e.V.. 2015. Das ist Leichte Sprache. 07.03.2017. < http://www.leichtesprache.org/index.php/startseite/leichte-sprache/das-ist-leichte-sprache>.

Heimlich, Ulrich; Kahlert, Joachim. 2012. Inklusion in Schule und Unterricht. Stuttgart: Kohlhammer.

Karolina; Wilbert, Jürgen; Hennemann, Thomas. 2014. “Attitudes towards inclusion and self-efficacy of principals and teachers.” In: Learning Disabilities: A Contemporary Journal. 12 (2). 151-168.

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