In der Reihe „Inklusion im Englischunterricht bedeutet für mich …“ stellen die Mitglieder des Netzwerks Inklusiver Englischunterricht ihre ganz persönliche Sicht auf Praxis und Forschung zum inklusiven Englischunterricht vor. Den Beginn macht Prof. Torben Schmidt von der Leuphana Universität Lüneburg.
„Inklusiver Englischunterricht bedeutet für mich durch meine alltägliche Praxis im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung vor allem eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich Lehrerbildung verändern muss, um Lehrkräfte angemessen auf die besonderen Herausforderungen eines inklusiven Bildungs- und Erziehungssystems allgemein und eines für den Umgang mit verschiedensten Heterogenitätsdimensionen gut aufgestellten Englischunterrichts im Speziellen vorzubereiten. Welche Elemente und Formate braucht folglich die Fremdsprachenlehrerbildung, um nötige Kompetenzen zu vermitteln und was sind dabei überhaupt die nötigen Kompetenzen? Bei der Beantwortung dieser Fragen ist es hilfreich, zunächst den Blick auf den zeitgemäßen, guten Fremdsprachenunterricht zu werfen, um zu verstehen, welche etablierten Ansätze, Methoden und Zielsetzungen hier bereits hilfreich und zielführend sind und somit weiterhin im Fokus der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften stehen sollten. Prägende Elemente wie kulturelle Teilhabe, Kommunikation, Interaktion und der Einsatz von bedeutungsvollen, herausfordernden, kommunikativen Aufgaben scheinen als Basis und Bezugspunkt bereits wie geschaffen für die Umsetzung eines inklusiven Unterrichts, und didaktische Ansätze und Konzepte zur Diagnose, Differenzierung und kompetenzorientierten Förderung können generell auf einen inklusiven Fremdsprachenunterricht übertragen werden. Prinzipiell sollte darüber hinaus auch ein inklusiver Englischunterricht schülerorientiert und motivierend sein, mit der Festlegung realistischer Lernziele kompetenzorientiert arbeiten und eine differenzierte Arbeit am gemeinsamen Lerngegenstand unter Berücksichtigung verschiedener Heterogenitätsdimensionen ermöglichen. Als Zwischenfazit bleibt also festzuhalten, dass die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften hier bereits recht gut aufgestellt ist und an grundlegenden Inhalten und Zielsetzungen festhalten sollte.
Was sollte sich nun im Studium ändern bzw. was muss inhaltlich hinzukommen? Zunächst ist es von zentraler Bedeutung, dass die Studierenden in den allgemein-pädagogischen und psychologischen Bestandteilen der universitären Ausbildung sich in angemessener Tiefe in verschiedenen Veranstaltungen den folgenden Themenbereichen widmen:
- Grundlagen inklusiver Bildung: Grundlegende Auseinandersetzung mit dem Begriff der Inklusion, Wertschätzung von Diversität, Unterschiede der Lernenden als Chance und Herausforderung; Reflexion der eigenen Haltung/Einstellung zu Kindern mit Förderbedarf und anderen Heterogenitätsdimensionen,
- Inklusive Schulentwicklung: Aufgaben bzw. Rolle der Schule im Wandel des Bildungssystems, Förderung von Partizipation und Demokratieentwicklung,
- Sonderpädagogische Förderung: Diagnostische Basiskenntnisse, Förderplanung.
Mit Blick auf die fremdsprachendidaktische Ausbildung sollte eine Ergänzung der Curricula vor allem in folgenden Gebieten im Mittelpunkt stehen:
- Inklusive Unterrichtsentwicklung: Vermittlung spezifischer, heterogenitätssensibler didaktischer und fachdidaktischer Fähigkeiten, Sensibilisierung für das Spannungsfeld von Individualisierung und Leistungsdifferenzierung im Fremdsprachenunterricht, Aufgaben- und Übungskonzeption und Fähigkeit zur Entwicklung von Hilfs- und Unterstützungsangeboten, Formen der Leistungsbewertung, Classroom Management zur Vermeidung von Unterrichtsstörungen,
- Multiprofessionelle Teamarbeit: Aspekte der fachspezifischen Kooperation und Teamarbeit, gemeinsamer Unterricht, Beratungs- und Kommunikationsstrukturen,
- Sonderpädagogische Förderung: Fachspezifische Diagnostik und Förderplanung.
Die Entwicklung und Implementierung interdisziplinär gut abgestimmter, sinnvoll sequenzierter, effektiver Ausbildungscurricula, die diese Themenbereiche berücksichtigen und entsprechende Kompetenzen mit geeigneten Methoden ausbilden, muss folglich mit Blick auf die Ausbildung von guten Lehrkräften für den inklusiven Unterricht im Mittelpunkt der Qualitätsentwicklung der Lehrerbildung stehen. Von zentraler Bedeutung werden dabei die Verknüpfung und Zusammenarbeit von Theorie und Praxis (Schule-Uni-Studienseminar) sowie von Fachdidaktik mit (Sonder-)Pädagogik und Psychologie sein, um Professionswissen und Handlungskompetenzen von angehenden Lehrkräften für den inklusiven Fremdsprachenunterricht systematisch zu entwickeln.“
Prof. Dr. Torben Schmidt ist Professor für die Didaktik des Englischen an der Leuphana Universität Lüneburg, weitere Informationen zu seiner Person und Vita.